SILO / CHRONOLOGIE
Seit die Menschen Getreide als Nahrungsmittel verwenden, gab es die Herausforderung der Lagerung, über Jahrtausende hinweg waren es geschlossenen Behälter (Töpfe, Körbe, Kästen), je größer umso besser. Der wahrscheinlich älteste Getreidespeicher wurde in Drah‘ in Jordanien2 gefunden und ist über 11.000 Jahre alt, und steht für den Anfang der Landwirtschaft. Es wurden erstmals systematisch Nutzpflanzen angebaut und das sichere Lagern der Ernte war entscheidend für das Überleben der nun sesshaft werdenden Menschen. Mittlerweile sind Menschen und Getreide mobil geworden, die Notwendigkeit des Lagerns bleibt allerdings, denn die Möglichkeit zu lagern bedeutet auch der Volatilität des Getreidepreises nicht unmittelbar ausgesetzt zu sein.
In Niederösterreich beginnt die Geschichte des altertümlichen Silos in Zeiselmauer, wo sich der älteste „Körnerkasten“ der Region befindet, eine Nachnutzung einer spätrömischen Festungsanlage, die Teil des Donaulimes war. Das Gebäude stammt aus dem 4. Jahrhundert, und wurde im Mittelalter als Getreidespeicher genutzt und blieb dadurch erhalten.
Im Barock wurden die Schüttkästen vorzugsweise auf Anhöhen platziert, um sicher zu stellen, dass das kostbare Gut trocken bleibt. Dicke Wände sorgen für gleichmäßige Temperaturen, kleine Öffnungen für gute Belüftung, die Lagerung des Getreides erfolgte auf mehreren gut unterlüfteten Holzböden in welche das Getreide geschüttet wurde. Eigentümer waren entweder der Adel oder der Klerus, der Speicher zeigt die Macht- und Besitzverhältnisse.
Nach den Bauernaufständen Mitte des neunzehnten Jahrhunderts, kam es zu einem Vakuum, die neuen freien Bauer mussten erst ein System des Lagerns und Verteilens der Ernte finden und vor allem auch eine Form der Finanzierung und des Kreditwesens. 1862 gründete Friedrich Wilhelm Raiffeisen den ersten Spar- und Darlehenskassenverein in Deutschland der günstige Darlehen vergab. 10 Jahre später führte der Gedanke der bäuerlichen Selbsthilfe in Österreich zur Verabschiedung des Genossenschaftsgesetzes. Die neue Macht am Land ist nun Raiffeisen. Ziel des Raiffeisenverbandes war die Einrichtung einer Zahlstelle, die Organisation des Ein- und Verkaufswesens der landwirtschaftlichen Genossenschaften und die Errichtung von Lagerhäusern, wobei anzustreben war, „das ganze Land mit einem Netz kleinerer Lagerhäuser zu überziehen”.3 1886 wurde die erste Raiffeisenkasse in Niederösterreich gegründet, und auch das erste genossenschaftliche Getreidelagerhaus in Pöchlarn errichtet. Weitere Genossenschaften folgten.
Bis in die 50er Jahre des 20 Jahrhunderts folgten diese Getreidelager der Typologie eines Hauses. Diese Speicherhäuser waren horizontal organisiert, quasi mehrgeschossige Hallen mit Gebäudehöhen bis zu 25 Meter. Die äußere Hülle war Mauerwerk aus Ziegel oder Stein und hatte ein Satteldach mit verschiedenen Aufsätzen und Auslässen.
In der Nachkriegszeit setzte eine enorme Mechanisierung und Rationalisierung aller Produktionsmethoden und Arbeitsvorgänge in der Landwirtschaft ein. Aber es war nicht der Traktor, sondern der Mähdrescher, dessen Einzug in den bäuerlichen Maschinenbestand gegenüber früheren Zeiten eine völlig neue Situation schuf. Mit der rasant steigenden Zahl an Mähdreschern kam es zu einem immer geballteren Angebot an Erntegut, das von den Lagerräumen aufgenommen werden musste.
1953 wurde daher eigens eine Bauabteilung im Lagerhaus-Verband eingerichtet, die unverzüglich mit dem Bau von Getreidesilos begann. Eine rege Bautätigkeit setzte ein, die nachhaltig auch das Bild der Landschaft verändern sollte. Es erfolgte ein Typologiewechsel, die Speicher wurden nun vertikal (bis zu 45 Meter), das Haus richtet sich auf zu einem Halbturm, die Z-Achse dominiert das Escheinungsbild, errichtet wurden sie in Gerüstbauweise. Ein Staffelgeschoss on top vervollständigte den Speicher zum Aussichtsturm, das Satteldach entfiel.
Anfang der 60er Jahre ermöglichte ein Technologiesprung, das weitere Wachsen der Getreidetürme, mit der Übernahme der Gleitschalungsbauweise konnten schnell und kostengünstig mächtige Betonsilos errichtet werden, der höchste Turm (70 Meter) ragt in Petronell aus der Landschaft und blickt nach Bratislava.
2 Das runde Bauwerk mit einem Durchmesser von drei Metern hatte Mauern aus Steinen und getrockneter Erde, obenauf saß ein Flechtwerk aus Pfosten, Zweigen und Schilfrohr. Der Boden innerhalb des Gebäudes war erhöht und hatte Öffnungen, sodass unter dem Lagergut Luft zirkulieren konnte.
3 Verband ländlicher Genossenschaften in Niederösterreich (Hg.), 1898–1973. 75 Jahre Verband ländlicher Genossenschaften in Niederösterreich.